Noch nie davon gehört, aber das soll ja nichts heißen! Nach dem Erhalt der Unterlagen, war dann auch das Team für die 3 Tage schließlich vollständig und es konnte losgehen.
Als wir gegen 10:00 Uhr bei dem 58-jährigen Heiko M. in Nördlingen klingeln, meinen wir im ersten Moment, wir stehen Udo Lindenberg gegenüber. Dessen Museum in Hamburg ist unser Ziel. Wow, unser Fahrgast ist ein Fan ersten Ranges, nicht zu übersehen. Wir sind beeindruckt! Udo, nein, Heiko möchte lieber sitzend fahren, statt auf der Liege zu sein. So sitzen er und Ines sich gegenüber.
Unterwegs erzählt er sehr bald von der Erkrankung seiner Frau (Zungen- und Lungen-Ca), was während seiner Zeit in Reha vergangenen Dezember entdeckt wurde.
Im Mai 2022 waren sie noch gemeinsam auf dem Udo Lindenberg-Konzert in Stuttgart gewesen. Da sei es ihm schon richtig schlecht gegangen. Zwei Wochen später hätte er seine große Darm-OP gehabt. Mit vielen Komplikationen und insgesamt sechs Wochen Krankenhaus-Aufenthalt. Er habe damals ein Buch gekauft, welches ihm die Kraft zum Durchhalten gegeben habe: Die Biografie von Udo Lindenberg!
Dann erzählt er weiter, er habe die Jugend im DDR-Regime mitgemacht und Udos Auftritt 1983 im „Palast der Republik“ ohne Karte, von draußen mitverfolgt. Er sei ein Fan der ersten Stunde! Udo als furchtloser Freiheitskämpfer, sein Idol!
Etwas fassungslos (tatsächlich kopfschüttelnd) registriert unser Fahrgast allerdings schnell, dass Ines zwar die bekanntesten Songs schon mal gehört, ansonsten aber keinen blassen Schimmer von alldem hat… Umso eifriger erzählt er vom Mauerfall aus der Sicht eines „Ossis“, den Konzerten von Udo, die er später begeistert und als „Lindenberg-Double“ miterlebt, so dass man ihn oft tatsächlich verwechselte.
Mit seiner Frau will er seit fünf Jahren das Museum in Hamburg besuchen, hat sogar die alten Eintrittskarten dabei. Doch es kam alles anders.
Corona… Krankheit… Tod.
Letzten Freitag habe er seine Frau zu Grabe getragen.
Wir schweigen.
Dann sagt Herr M., er freue sich, dass es nun klappt. Zeigt Ines all seine Fan-Artikel, die er so bei sich hat. Ein Anhänger hier, ein Anstecker da. Die Gürtelschnalle an seiner Hose und den Hut aus Lindenberg. Den Hoodie mit buntem Bild und die Jacke mit Zeichnung. Jedes Stück hat seine Geschickte.
Liebevoll streicht er über das Nördlingen-Armband seiner Frau am Handgelenk. Jutta ist auch mit dabei!
Um 15:00 Uhr gibt’s Currywurst in Fulda (mit Bier und Zigarette), was Andi treffsicher fand, kaum dass unser Fahrgast diesen Wunsch ausgesprochen hatte. Roland fährt zielsicher direkt vor die Würstelbude auf den Parkplatz und wir recken unsere eingerosteten Gelenke, bevor wir uns hungrig über die feine Bratwurst hermachen.
Danach geht’s weiter bis zum nächsten Zwischenstopp auf der Höhe von Göttingen. Am Rastplatz hat ein junger Kerl mit uraltem Abschleppwagen Ines angesprochen „please… can your guys help me to push my car?“ Mit Händen und Füßen erklärt er: Er wolle nach Schweden und müsse um 21:00 Uhr
an der Fähre sein, aber der Wagen springe nicht mehr an… Natürlich haben wir ihm als überzeugte Wunscherfüller nach besten Kräften geholfen. Wir haben sein Fahrzeug angeschoben, bis der Motor mit lautem Stottern seinen Betrieb wieder aufnahm und ihn so erfolgreich zurück auf die Autobahn gebracht.
Auch wir setzten unsere Fahrt fort und erreichten am späten Abend die wunderschöne „Villa Rissen“ in einem ruhigen Stadtteil von Hamburg. Von Schlafengehen wollte unser Fahrgast jedoch um 21:15 Uhr nichts wissen. Nein, er habe Hunger und wolle noch was essen gehen, ein gemütliches Bier zischen und den Abend schön ausklingen lassen. Uff…
So besichtigten wir nur kurz unsere Zimmer, stellten die Koffer ab, warfen einen sehnsüchtigen Blick auf‘s Bett und zogen die Türen nochmals von außen zu.
Sogar für Andi war es eine kleine Herausforderung, um diese Uhrzeit eine warme Küche zu finden, die wunschgemäß „ein ordentliches Stück Fleisch“ im Programm hatte. Schließlich war „Don Quichotte“ in einer halben Stunde Entfernung unsere Rettung.
Wir aßen genüsslich, tranken jeweils unsere Lieblingsgetränke und saßen, bis wir „beinahe hinausgekehrt“ wurden.
Als Andi während einer Raucherpause von Herrn M. und Roland unbemerkt bezahlt hatte und wir somit gegen 23:30 Uhr einfach aufgestanden sind, kam ein ungläubiges „wie seid ihr denn druff?“ im Original brandenburgischen Dialekt, was der Moment war, wo der Funke übersprang: Heiko fragte „können wir das blöde „Sie“ eigentlich mal weglassen?“ und wir hatten erstmals das Gefühl, er vertraut uns nun, ist angekommen.
nächster Tag:
8:00 Überlegung: Wie machen wir das mit dem Frühstück? Keine feste Zeit vereinbart, kein Plan, ob unser Fahrgast (der eigentlich sagte „Frühstück ist nicht so mein Ding“ und eigentlich am liebsten ausschläft) mitkommt? Hilfe braucht? Geweckt werden muss? Da Ines vor den Zimmern auf dem Gang nichts hört, schreibt sie in die Gruppe und macht sich mal dran, den Frühstücksraum zu finden. Vor der Tür im Regen begegnet sie Andi, der schon vom Joggen kommt Als Ines ein vorsichtiges „Guten Morgen“ in den Frühstücksraum sagt, dreht sich unser Fahrgast im Udo Lindenberg-Hoody („75 Jahre gegen den Strom“) um und winkt mit einem fröhlichen „Hallo“. Vor ihm steht bereits ein dampfender Kaffee neben einem beachtlichen Berg Tabletten. Er hatte sich mit dem Hausmeister arrangiert, der ihm seinen Rollator die Treppen hochgetragen hat.
Wir fahren dann gegen 10:30 Uhr über die Elbchaussee in Richtung St. Pauli. Auf der Suche nach einem Parkplatz genießen wir alle die Fahrt über die Reeperbahn. Da wir keinen Parkplatz fanden, wollten wir schon wieder weiterfahren und außerhalb parken, doch da standen wir plötzlich vor einem kostenlosen Parkplatz unweit des Bismarck-Denkmals. Wir stellten den Wünschewagen, überglücklich über diesen „Zufall“, ab und schlenderten in Richtung Spielbudenplatz, wo sich das Museum „Panik City“ befindet. Wir hatten noch sehr viel Zeit, da wir erst um 13:30 Uhr zu unserer Führung da sein mussten, weshalb Heiko und Roland zuerst noch eine Bratwurst genossen. Wir kamen dann zeitig im Klubhaus „Alte Liebe“ an, wo Udo Lindenberg’s „Panik City“ untergebracht ist, und tranken zuerst noch einen Kaffee. Ein zweiter Heiko aus Rostock, ebenfalls Fan von Udo Lindenberg, tauchte auf und unterhält sich blendend mit Heiko. Unser Heiko sieht Udo Lindenberg zum Verwechseln ähnlich, aber als er der Kassiererin vor der „Panik City“ etwas (im brandenburgischen Dialekt) antwortet, sagt diese: „Mensch, Schatz, jetzt haste‘n Mund uff und alles kaputt jemacht!“
Als Heiko ihr seine Eintrittskarte von 2020 hinhält und sie versucht, diese einzuscannen, kam von ihr ein (lachend): „boah, Du bist so‘n Arsch!“
Wir genießen dann die Führung durch die „Panik City“, erfahren viel über die Geschichte und das Leben von Udo Lindenberg. Alle waren furchtbar nett und hilfsbereit. Zum Schluss waren wir sogar in einem Tonstudio, in dem wir singen durften/mussten und Udo (virtuell) mitten zwischen uns
stand. Nach eineinhalb Stunden, die bei Heiko sehr viele Erinnerungen ausgelöst haben, so zum Beispiel das DDR-Radio R160, welches damals über einen Monatslohn gekostet hatte, waren wir dann wieder zurück auf der Reeperbahn. Wir schlenderten durch die Straßen und Heiko ließ es sich nicht nehmen, alles mit seinem Rollator selber zu meistern. Alle paar Meter zog er ungläubige Blicke auf sich und wurde fotografiert, da er immer wieder für Udo Lindenberg gehalten wurde. Wir waren dann im Fan-Shop des FC St. Pauli und Heiko kaufte sich ein paar Erinnerungsstücke. Diese wurden in einer Tasche verstaut, die Roland getragen hat, so liefen die beiden Seite an Seite, wie ein Herz und eine Seele, durch die Reeperbahn, immer von ungläubigen Blicken begleitet. Heiko lachte vor sich hin und sagte „Mensch Roland, die meinen ich bin Udo und du mein Bodyguard, der meine Tasche trägt!“ So genossen wir vier die Zeit, und schlenderten über die Reeperbahn. Bevor dann die Sonne unterging und immer mehr Leute unterwegs waren, machten wir uns zurück auf den Weg zum Wünschewagen. Immer begleitet von dem Lachen von Heiko, mit den Worten „Mein Bodyguard“. Beim Wünschewagen angekommen, machten wir uns dann auf, zu einer letzten Rundfahrt durch das langsam dämmernde St. Pauli. Als wir dann neben der Davidwache an einer Ampel halten mussten, klopfte jemand an das Fenster der Beifahrertür. Andi öffnete es und der Mann fragte, was wir vom Wünschewagen denn machen. Andi erklärte es und erhielt dafür eine unglaubliche Begeisterung zurück. Der Fremde erklärte uns, dass er seit Jahrzehnten in der Pflege arbeitet und er wahnsinnig begeistert davon ist, dass es so etwas wie den Wünschewagen gibt. Die Ampel schaltete auf grün und wir mussten weiterfahren, da sich hinter uns so langsam schon eine Schlange gebildet hatte. Doch bevor wir weiterfuhren, kam auf dem Gehweg noch ein junger Mann vorbei, der freudestrahlend – mit Daumen hoch – zu uns und zum Wünschewagen schaute und durchs offene Fenster winkte und rief „Ich liebe euch!“. Wir waren sprachlos von so viel Begeisterung und Menschlichkeit. Unsere Meinung von St. Pauli und den Menschen hier, wandelte sich immer mehr von Skepsis zum Positiven und dem Guten in den Menschen. Wir fuhren ein letztes Mal über die Reeperbahn und machten uns zurück auf den Weg in Richtung Hotel. Wir haben dann in dem Speiselokal „Servus“ sehr gut gegessen und Heiko und Roland unterhalten sich beim Rauchen mit einem anderen Gast. Dieser setzt sich kurz darauf mit einem Sambuca für alle, zu uns, drückt uns seine Anerkennung aus und bezahlt heimlich unsere komplette Rechnung, was uns die Bedienung erst sagen darf, als er gegangen war! Heiko erzählte uns immer wieder aus seinem Leben, seinen Krebserkrankungen und von seiner Jutta und man merkte ihm an, wie sehr in das alles berührte. Aber Jutta war durch ihr Armband an seinem Handgelenk und in seinem Herzen dabei und somit konnte er, die mit ihr seit langem geplante, Reise endlich durchführen. Als wir später im Hotel waren, mussten wir alle an die Erlebnisse dieses Tages denken und brauchten lange, bis wir einschlafen konnten.
nächster Tag:
Nach dem Frühstück brechen wir um 10:00 Uhr zurück in den Süden auf.
Heiko wirkt selig, führt im Wünschewagen ein Telefonat mit seinem Bruder, dem er in den buntesten Farben schildert, wie schön unser gestriger Tag in Hamburg war.
Wenige Stunden später, bei der ersten Pipi-Pause in der Lüneburger Heide, will Ines unserem Fahrgast Heiko die Hand zum Aussteigen reichen. Er nimmt diese Hilfe nicht an, schafft es selbst. Dafür nimmt er Ines jedoch unvermittelt in den Arm und drückt sie dankbar und sehr herzlich!
Unterwegs lacht er immer wieder vor sich hin. Auf den fragenden Blick von Ines antwortet er: „Ich freu mich einfach!“ und wirkt richtig glücklich! Das ist das schönste Gefühl, welches wir Wunscherfüller erleben dürfen!
Nachdem wir gegen 15:00 Uhr ordentlich bei einem Italiener nahe Göttingen gegessen haben, nimmt Heiko erstmals die Liege in Anspruch und schläft für eine geraume Zeit entspannt.
18:15 Uhr kommt von Roland durch das kleine Fenster die Frage nach einer Raucherpause. Durch die Fahrgeräusche versteht Ines ihn nicht gleich und bemüht sich deshalb leise nachzufragen, weil Heiko die Augen geschlossen hat. Bevor ihr das gelingt, kommt von der Liege links neben ihr, ein genervt-energisches „Ja-haaaa!!!“ Als Roland die hintere Türe öffnet, ertönt ein vergnügtes „Moin moin, Chefarzt“ von der Liege. Wir sind zu einem tollen Team zusammengewachsen, überall spürt man nun dieses gegenseitige Vertrauen! Nach einer unkomplizierten, aber doch sehr langen Fahrt, erreichen wir gegen 21:30 Uhr Nördlingen, wo unser Fahrgast fröhlich seinem beleuchteten Kirchturm zujubelt und schließlich in Vorfreude auf sein Feierabend-Bier zu Hause aussteigt. Der Briefkasten wird geleert, die Treppe erklommen und eine Blumenvase für die Wünschewagen-Rosen organisiert. Dann wird es kurz still unter uns. Jeder spürt den starken Gefühlen nach, die jetzt Raum einnehmen: Tiefe Freude über diese gelungene Wunscherfüllung. Leisen Abschiedsschmerz, der durchwoben ist mit unzählig wertvollen Eindrücken. Ein bisschen Wehmut, dass es nun vorbei ist. Der Wunsch um inneren Frieden. Alles umhüllt von tiefster Dankbarkeit um einen Schatz im Herzen, der für immer bleiben wird. Andi überreicht unserem Heiko zum Abschluss feierlich das kleine Foto-Album, was ein verblüfftes „wo hast‘n det jetzt herjezaubert? An der Tankstelle oder wat?“ hervorruft. Er blättert es kurz durch, legt es dann tief berührt zur Seite und drückt uns lange und dankbar an sich. Einen nach dem anderen.
Als er Roland in den Arm nahm, kamen noch einmal die Worte „Ach Roland, mein Bodyguard!"
Das ist Wunscherfüller-Glück!!!
Wir verabschiedeten uns, wünschten alles Gute, gingen die Treppe hinunter und schlossen die Tür hinter uns zu.
Auf dem Rückweg von Nördlingen nach Kaufbeuren war jeder von uns Wunscherfüllern in Gedanken, bei Heiko, Udo und den vergangen, wunderschönen Tagen!